16 Jahre und 117 Tage wurde mein Dodo alt. Mein tierischer Bruder. Mein engster Freund, der mich ein ganzes Viertel meines Lebens begleitete, seit er im Dezember 2009 mit etwas mehr als eineinhalb Jahren zu mir kam.
Er hat viel mitgemacht und erlebt. Als verstoßener Straßenhund in der Slowakei wurde er zum Glück gerettet und entkam der Vergasung in einem dortigen Tierheim. In Österreich ging seine Pflegefamilie auch nicht gerade sorgsam mit ihm um. Er war ein Sensibelchen. Immer schon. Und das schlug sich auch auf seinen Magen.
Er hat schwere Magenkrankheiten und Entzündungen überstanden, hing am Infusionstropf. Er hat bravourös einen Tumor und die OP überstanden. Er hat tapfer fast drei Jahre lang gegen eine heimtückische chronische Krankheit gekämpft. Seit mehr als eineinhalb Jahren hörte er leider nicht mehr, wenn man ihn rief. Er war ertaubt. Und am Schluss konnte er sich auch kaum mehr auf den Beinen halten. Beim Fressen tat er sich schwer, dement irrte er manchmal in Winkeln und Ecken herum und fand nicht mehr hinaus, um seine Gschäftln zu erledigen. Aber eins war gewiss: er hat immer gekämpft, war zäh und tapfer. Und dabei auch immer der gutmütigste und zutraulichste Hund, der mir je begegnet ist.
Wegen seines süßen Gesichtes und seine freundlichen Schauens meinten viele oft, er wäre noch fast ein Welpe oder ein sehr junger Hund...und tatsächlich hatte er das liebste „G’schau“ zwischen allen Freilaufzonen von Budweis bis Nebraska.
In seiner Jugend hat er liebend gern Katzen g’stampert. Nicht grad zu meiner und anderer Freude. Mit meinen Miezen hat er sich dann aber doch arrangiert, auch die Dominanz seiner kleinen Dackel-Terrier-Pinscher Partnerin Julia hat er gentlemen-like hingenommen.
Beim Ballispielen und Quitschhenderlfangen ist er fast ausgezuckt vor Freude und Übermut. Seine Lieblingsspiel war das Wurschti-Suchen (versteckte Schinkenstreifen) in allen Winkeln des Hauses. Es genügte das Wort: „Doooodo? Måch ma a Spiel?“ und er hüpfte bellend wie ein Gummiball auf und ab.
Zum Schluss hat ihn auch das nimmer gefreut, von dutzenden Schinkenstreifen blieben immer mehr in den Vertecken liegen und er selber lag auch herum. Bis auf einige Minuten am Tag regte er sich kaum mehr.
Es war die Zeit gekommen, ihn zu erlösen. Kein Medikament konnte mehr für wirkliche Lebensqualität sorgen.
Es war ein langer Abschied und es war eine Verabschiedung auf Raten und auf leisen Sohlen. Irgendwie dachte ich sogar, das würde das tatsächliche, das absehbare Ende dann leichter machen. Niemand kann den Tod überlisten und gerade bei Haustieren schwebt immer die furchtbare Gewissheit mit, dass man sie nach meist viel zu wenigen Jahren loslassen muss.
Heute habe ich mich - nach wochenlangem Zaudern, nach quälenden Überlegungen und auch vielen Gesprächen - entschlossen, ihn gehen zu lassen. Loszulassen. Und vielleicht oder sogar sehr wahrscheinlich: zu erlösen.
Und dennoch...im Moment des finalen Abschiedes tut es so unendlich weh, als wäre es unvermittelt gekommen, als würde er jäh aus dem Leben gerissen. Auch wenn ich zum Schluss nicht mehr wirklich mitbekommen habe, dass ich mir das Haus mit einem Hund teile (eher mit einem Geriatriepatienten, dem man nächtens oft und oft wo wieder auf die Beine helfen musste), auch wenn ich ahnte, dass auch er nicht mehr wirklich das Leben in sich und um sich spürte; so ist es doch so unglaublich schmerzhaft, brennt es wie ein Stich im Herzen. Plötzlich ist da eine unendliche Leere. Nicht nur im ganzen Haus, sondern in der Seele.
Man vermeint noch sein Hecheln zu hören, man stolpert noch über seinen Napf und dennoch ist es gewiss und endgültig. Der allerliebste Hund der Welt, der treue Freund ist nicht mehr. Kein tiefer Blick mehr in seine Augen, kein Kraulen mehr im flauschig-dichten Fell.
Ich hab nach seinem Einschlafen die Glastür der Ordination weit geöffnet. In einem Beitrag zur Sterbevorbereitung für Haustiere hab‘ ich aufgeschnappt, dass so ein Ritual ein klein wenig helfen kann. Ich bin kein wirklich spiritueller Mensch. Aber diese Geste war mir wichtig.
Ich hab gespürt, wie Dodos Hundeseele hinausgezogen ist durch die weit geöffnete Tür. Wieder flink und leichtbeinig. Hinauf und über die Regenbogenbrücke, wo die Julia, die Joesie, der Pezi und der Mogli schon auf ihn gewartet haben. Und dort kann er jetzt wieder wie ein Pfitzipfeil alle Ballis und Gummihenderl dieser Welt jagen. Und vielleicht sogar eine fremde Katze stampern ;)
Mach’s gut, mein liebster Hundefreund, ich werde ich nie vergessen und hab dich unendlich lieb gehabt!
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Lieber Gerhard, ich hatte nie eine Haustier und kann daher auch nicht wirklich verstehen, was Dodos Verlust für dich bedeutet. Deine Worte haben mir aber geholfen besser zu verstehen, wie eng die Bindung sein kann. Ich habe nach dem Tod meines Vaters auch viel geschrieben und auch wenn ich immer das Gefühl hatte die Worte sind inadäquat hat es mir doch geholfen. Ich hoffe, dass es dir ebenso geht!
Ich wünsche dir auf deinem Trauer weg viel Kraft!
Andrea Joos