Einen „Riesenwirbel“ titelte eine aufgeregte Kronen Zeitung am Freitag (26.4.2024) Vormittag in ihrer Online-Ausgabe und vermutlich später auch auf Print rund um eine aktionistische Intervention der Bezirks-SJ vor dem freiheitlichen Parteilokal in Freistadt.
Um es gleich vorweg richtig einzuordnen: die Krone zeigt sich ja bald über etwas aufgeregt, wenn es nicht grad ertrinkende Flüchtlinge oder hinterzogene Steuern, geshredderte Laptops oder einstürzende Immobilien-Luftschlösser sind. Es regt alles auf, was sozusagen gegen eine berühmt-berüchtigte Leit-Kultur ist.
Nun hat sich aber die SJ quasi erdreistet vor dem FPÖ-Propagandabüro in Freistadt hinzuweisen, dass die freiheitlichen Sprechblasen - insbesondere die verbalen Grobheiten ihres Ober-Pferdeentwurmers Kickl - nicht nur ein größerer Aufreger sind, sondern vielfach auch das, was man beiläufig gern mal am Stammtisch „der red't ja nur Scheiße“ tituliert.
Ich persönlich hätte die Aktion zwar nicht so angelegt, aber naja. Demonstrationen aller Art von Parteien gegen andere Parteien (im Konkreten direkt vor der Konkurrenz 1)) halte ich aus Gründen, die man anderweitig genauer ausführen sollte, für demokratisch bedenklich und nicht soo klug. Und natürlich hat die Aktion auch genau zwei Effekte erzielt: Zum einen redet nun nicht nur der halbe Bezirk darüber und zum Anderen stärkt es natürlich genau die hard-core Kickl-Fans...ein Blick auf die hunderten Kommentare in der Online-Krone spricht Bände.
G’scheit oder nicht g’scheit im Sinne einer politischen Strategie...darüber ließe sich nun trefflich diskutieren und streiten.
Bezeichnend ist aber etwas ganz anderes! Die Reaktion der Bezirkspartei. Namentlich des Bezirksparteivorsitzenden und Freistädter Bürgermeisters.
Ohne besonders lang nachzudenken oder auf mediale Anfragen einmal eine Zeit lang nicht zu antworten, zeigt der „Freund der Sozialdemokratie“ - wie sich Gratzl gerne immer etwas schwammig selbst bezeichnet - das Gegenteil von Cojones und „entschuldigt“ sich bei der FPÖ.
Ja, er ent-schuldigt sich. Das kann man bei Kindern machen, die am Schulbesuch verhindert waren, aber man kann nicht die Handlung anderer Menschen quasi stellvertretend und paternalistisch „ent-schuldigen.“
Die SJ hat: erstens nix „angestellt“, sondern von ihrem legitimen Demonstrationsrecht mit den Mitteln der Zuspitzung und Satire auf tatsächliche Verbalentgleisungen der FPÖ hingewiesen und zweitens kann sich eine Partei oder ihr Vorsitzender nicht über die Meinungsäußerung anderer (MitstreiterInnen) erheben und sich stellvertretend davon distanzieren, als wäre er der Oberzensor dessen, was gesagt werden darf, ja, was sogar gesagt werden muss!
Anstatt sich hinter die eigene Parteijugend zu stellen und darauf hinzuweisen, dass gerade auch die blaue Parteijugend oft haarscharf an Wiederbetätigung vorbeischrammt, dass all die „Einzelfälle“ von faschistoiden Ausritten oft nur mit wortkargen und dürren Statements der FP enden, will Gratz nun mit der SJ „das Gespräch suchen“. Können wir uns die Art und Weise dieses Gesprächs vorstellen? Wird das ein „Du! Du! Ihr dürfts aber nicht so böse zu den lieben Blauen sein“ oder wird das ein „habt’s eh irgendwie recht, aber ich hab halt nicht das politische Standing und den Mumm, das öffentlich zu argumentieren“?
Wie man einer FPÖ und ihren verbalen und inhaltlichen Grauslichkeiten begegnet ist ein schwieriges Feld, das viele Politologen, Politstrategen und auch Blogger (ich verweise auf den YouTube-Kanal des Parabelritter im Umgang mit der AfD 2)) täglich im Schweiße ihres Angesichts bearbeiten. Man kann zur SJ-Aktion also - im Sinne von strategisch sinnvoll - stehen, wie man will. Man kann gerne sagen: das hätte ich nicht so gemacht, wäre nicht mein Stil et cetera et cetera.
Aber eines kann man nicht: dafür um Verzeihung betteln, dass die eigene Parteijugend aufzeigt, wie’s die Orbán- und Putin-treue FPÖ mit der Wahrheit hält und täglich gegen Minderheiten, andere Parteien und Menschenrechte allgemein hetzt.
An der Aktion nahm auch die Bezirksfrauenvorsitzende der Bezirks-SP statt. Wie unkollegial ist das denn, wenn man sich für die eigene Genossin bei den Blauen "ent-schuldigt"? Es ist ungustiös, aber in einer ÖVP steht beispielsweise ein Generalsekretär Stocker auch noch öffentlich hinter seinen Parteikollegen, wenn die schon mit einem Fuß im Häfn sind. Aber die SPÖ hat nicht das Selbstbewusstsein, gegen eine hetzerische FPÖ aufzutreten und zu kontern "wer austeilt muss auch einstecken können".
Statt pro-aktiv dagegenzusetzen wird fremdgeschämt. Damit setzt man sich auf die gleiche Stufe wie die vielen dumpfen Kommentare in der Krone, die teilweise schon wieder menschenverachtend sind.
1) ich sage bewusst „Konkurrenz“, weil ich mit dem neoliberalen Euphemismus von „Mitbewerber“ nichts anfangen kann. Das gilt mMn nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für wahlwerbende Parteien
2) https://www.youtube.com/watch?v=ioLtkwtBaJk&ab_channel=DerDunkleParabelritter
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Kommentare
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Nicht dass wir uns fürs entschuldigen noch entschuldigen müssen 😜